21 Mai, 2012

Nolundi, die Zweite


"Ich fahre gleich in mein Büro in der Stadt, dann kann ich Dich mitnehmen," sagte Nolundi vor ein paar Wochen zu mir nach der Kirche.

Erst wollte sie jedoch noch kurz am "Couples-Meeting" teilnehmen, das im Anschluss an den Gottesdienst stattfand. Ich wusste bis dahin gar nicht, dass Nolundi verheiratet war.

"Ich seh Dich immer alleine, wo ist denn Dein Mann?" fragte ich sie.
Sie: "Mein Mann hat es nicht so mit Kirche. Er ist Anwalt."
Ich: »Aha?" (Ich hatte schon wieder vergessen, dass ich in Afrika war…)
Sie: "Na ja, er vertritt Kriminelle, muss hier und da wen bestechen, Du weißt schon. Mein Mann sagt, er kann dann nicht sonntags in die Kirche gehen mit gutem Gewissen…"

Ich wusste doch, dass der Reichtum der Nolundi-Familie nicht allein von Ihrem Immigrationsbüro und Ihrem Hongkong-Job herrührte. Niemand (Schwarze schon mal gar nicht) erlangte hier auf legale Weise Reichtum.

Kinder hatte Nolundi auch, drei Mädchen, die sie nun herbeipfiff, damit sie schon mal den Wagen aufschlossen. Eines der Mädchen hieß "Abuja".
"Ihr Vater ist Nigerianer, " meinte Nolundi.
Das hatte ich mir schon fast gedacht, da die Hauptstadt von Nigeria denselben Namen trug.
Die Mädchen hatten alle verschiedene Väter.

Der Wagen, in den wir dann allesamt einstiegen, war nicht Ihr Jaguar. Es war ein schwarzer Hummer H3.

Wir hielten vor einer Wellblechhütte. Nolundi ließ das Fenster runter und schrie: "Girl! Girl!"
Eine junge Frau kaum heraus und winkte.
"Hab ich mir aus Simbabwe besorgt, die arbeiten gut, sie ist ab nächste Woche meine neu Haushälterin," erklärte mir Nolundi die Herkunft des Mädchens, das anscheinend keinen Namen hatte, sondern einfach "Girl" genannt wurde.

Sie müsse noch beim Busbahnhof vorbei, Koffer abholen, die bei Ihrem vorigen Hongkong-Trip nicht mehr in den Flieger passten und die sie daher beim Gepäckkurier aufgegeben hatte. Ok.

Beim Busbahnhof hielt Nolundi direkt vor dem Schalter, da wo niemand sonst parkte, da, wo man ganz offensichtlich nicht parken durfte. Das kümmerte sie überhaupt nicht.

Als sie jemand höflich darauf hinwies, dass sie dort nicht stehen bleiben könne, nahm sie mit einem normalen Parkplatz vorlieb.
Der Parkwächter sagte: "Das macht 7 Rand."
Nolundi sagte: »Jaha, 7 Rand DIE STUNDE steht auf dem Schild! Ich bleibe ja nur eine halbe. Hier hast Du 3.50 Rand."
Damit ließ sie den eingeschüchterten Parkwächter stehen, pfiff ihre Mädchen aus dem Wagen und stapfte zum Schalter. Mir war das alles furchtbar unangenehm.
Während wir zum Schalter liefen, sagte Nolundi, das wär ja was ganz Neues, dass die Parkwächter sonntags arbeiteten. Ob das denn erlaubt sei per Gesetz. Das müsse sie gleich Montag in Erfahrung bringen. Sie hätte gute Beziehungen zur Politik.
(…)

Die älteste Tochter (vielleicht 11 Jahre alt) nahm ganz selbstverständlich den schweren Koffer und zog ihn hinter sich her. Als Ihre Tochter fragte, ob sie eine Cola haben könne, sagte sie vor den Töchtern zu mir: »Ts, die sollen mal erst arbeiten gehen, dann können sie sich das alles kaufen!"

Ich wäre mit dem Bus viel schneller zu Hause gewesen. Zu Hause fragte ich mich, ob man Nolundi mochte, weil sie ein charismatischer Typ war, oder weil man hinter Ihrer respekteinflößenden, dreisten Art auch Herz sehen konnte. Eines war klar, anlegen wollte man sich in keinem Fall mit ihr.

Als am nächsten Sonntag der Pastor in die Gemeinde fragte: »Gibt es jemanden unter Euch, der rundherum zufrieden mit seinem Leben ist?", hob Nolundi als Einzige unverzüglich den Arm, stand auf und strahlte.