03 März, 2012

Der Schein trügt?

Weiße wohnen in großen Häusern, haben schwarze Hausangestellte und benehmen sich bossy.

Township-Bewohner sind arm und verdienen jedes Mitgefühl.

Oder?

1. Ich habe noch nie so viele große, abgedunkelte Mercedes-Limousinen pro Quadratkilometer gesehen wie in bestimmten Bezirken in Soweto (South Western Township in Johannesburg).

2. Keiner meiner europäischen Arbeitskollegen hat schwarze Hausangestellte. Wer aber schwarze Putzfrauen hat, sind zum Beispiel meiner Brothers und Sisters aus der Township-Kirche, obwohl sie selber zum Teil nur in einem kleinen Haus wohnen.

3. Wenn ich sonntags zur Kirche gehe, kombiniere ich die Klamotten, die ich habe, immer wieder neu. Sehr viele meiner Kirchen-Genossinnen hingegen tragen JEDEN Sonntag ein neues Kleid - samt passenden Accessoires wie Hüten, Schmuck, Schuhe, Taschen.

4. Nolundi, eine voluminöse Zulu-Königin aus meiner Kirche fährt Jaguar, unterhält ein Immigrations-Büro in meinem Apartment-Komplex in der Stadt und zahlt jeden Monat für einen Parkplatz in der Tiefgarage, wohnt aber in Khayelitsha.

Die Prioritäten liegen ganz klar anders.

Alle meine weißen Kollegen wohnen in der Stadt und geben den Großteil Ihres Gehalts für ein kleines Apartment nahe der Arbeit und allen Läden, Bars und Restaurants aus.

Schwarzafrikaner wohnen selten in der Stadt, sondern meist in den zum Teil sehr weit entfernten Outbezirken oder den Townships und geben einen nicht ungehörigen Anteil für Minibus-Kosten aus. Ich verstehe nicht, warum das (immer noch, Jahre nach Apartheidsende) so ist. Selbst meine schwarzen Arbeitskollegen bei Amazon wohnen in Khayelitsha oder Mitchell´s Plain, obwohl sie nicht schlecht verdienen und sich ein Apartment oder zumindest ein Zimmer in der Stadt leisten könnten. Nach Khayelitsha fährt man ungefähr 1 Stunde! Aussehen tun -gerade die Mädels-  aber immer tadellos.

Schein ist wichtig, sehr wichtig unter Schwarzafrikanern. Und was man hat, das muss man zeigen.
Bei uns hingegen zeugt es von gutem Benehmen, wenn man nicht mit dem angeben muss, was man hat.

Mir scheint es, als überspringen die Schwarzafrikaner einfach das, was wir als »normales Benehmen eines Mittelklässlers« bezeichnen würden. Wir sind es aus Deutschland gewohnt, dass man durchschnittlich verdient und sich ein Auto und eine Wohnung leisten kann, ohne reich zu sein oder das Geld zum Fenster hinaus werfen zu können.
Hier gab es ja lange Zeit nur sehr arm oder reich.

Wen wundert es da, dass es statt einem Polo gleich ein Mercedes sein muss.
Wen wundert es, wenn Leute sonntags in einer Wellblechhütte Gottesdienst feiern, aber zum Dinner in eines der besten Hotels der Stadt gehen?

Es ist alles möglich, in alle Richtungen. Das ist das Faszinierende.

Ich habe letztens mit irgendwem darüber diskutiert, warum viele schwarze Kollegen im Township wohnen anstatt in der Stadt und dafür jeden Tag wie aus dem Ei gepellt zur Arbeit anreisen. Es kam die These auf, dass sie in Langa, Khayelitsha oder wo auch immer wohnen bleiben, weil sie dort mit ihrem Einkommen und den schicken Klamotten wer sind. In der Stadt wären sie nur jemand unter vielen. Keine Ahnung, ob das ansatzweise zutreffend ist. Vielleicht mögen sie einfach das Township-Leben. Es hat auf jeden Fall einen Reiz, dem man sich nicht entziehen kann. Mit Traditionen hat das sicherlich auch zu tun. Meine Kollegen unterstützen mit ihrem Gehalt oft noch andere Familienmitglieder (Cousinen, Neffen, Brüder aus dem Western Cape, sprich aus der Pampa), die gegen Kost und Logis zu Hause einkaufen, kochen und die Wäsche waschen. Man hat also auch praktisch was davon, nicht alleine in der Stadt zu wohnen.