21 Mai, 2012

Anyone who forgot his towel?


Busfahrten in Afrika sind ein Abenteuer für sich. Von Kapstadt bis Lusaka in Sambia braucht man 2-3 Tage, und ich war gespannt, wann dieses Mal der Zeitpunkt kommen würde, an dem ich nichts weiter wollen würde als "raus".

Von Kapstadt bis Johannesburg hätte alles nicht besser laufen können.
Intercape hatte eine moderne Flotte. Man fuhr auf die Minute genau pünktlich ab. Es gab Toiletten, Klimaanlage, getönte Scheiben und Fernsehbildschirme. Ein aufmerksamer Bus-Steward kam jede Stunde vorbei und fragte, ob jemand Tee oder Kaffee wolle und ob es allen gut ginge.

Ich habe mich auf vorigen Afrika-Busfahrten oft gefragt, wie es sein kann, das Gewaltfilme im "Busfernsehen" laufen, natürlich in ohrenbetäubender Lautstärke, während kleine Kinder mitreisen. Niemand machte sich Gedanken darüber. Wenn ich verantwortlich wäre, würde ich die Leute auf den stunden- oft tagelangen Reisen dazu zwingen, sich zu bilden. Denn das haben sie wirklich nötig.
Intercape tat es - auf eigene Weise zwar, aber das Konzept hatte Verstand. Was auf den Bildschirmen gezeigt wurde, waren christliche Spielfilme mit "Du kannst es schaffen"-Botschaften. Im Prinzip ging es immer darum, wie man es hinbekam, ein gutes Leben ohne Kriminalität und Armut zu führen. Daran war nichts schlecht soweit.
In dem Film "Something to sing about" mit Kirk Franklin gab es obendrein guten Gospel. In den Werbepausen zeigte man Reklame für Versicherungen oder Bioprodukte, wiederum mit dem Hintergrund, die Leute über gesunde Nahrung und "Zukunftsdenken" aufzuklären.

Es war klar, dass der Standard nicht so bleiben würde. Schon in Johannesburg sank das Niveau erheblich. Auf dem Busbahnhof funktionierten nur 3 von 8 möglichen Toiletten, eine Schlange hatte sich davor gebildet, die Räumlichkeiten waren schäbig. Allen Toilettenbenutzern wurden 3 Blatt Klopapier zugeteilt. Immerhin gab es Klopapier!
Security-Leute mit Schlagstöcken liefen Patrouille, um Trunkenbolde fernzuhalten. Als ich mir die Zähne im Waschbecken putzen wollte, sagte man mir, dies sei nicht erlaubt. Ich kann mir vorstellen, warum. Für all die Afrikaner aus den Drittwelt-Staaten um Südafrika herum, die hier Station machten, war der Standard gut und sie würden sicherlich die Gelegenheit nutzen, um sich und Ihre Babys in einer Toilette wie dieser zu waschen - wo es fließendes Wasser, Spiegel und Platz gab. Das wollte man anscheinend unterbinden, indem man »sich waschen« generell verbot.

Der Bus nach Lusaka war nicht einfach ein Bus. Es war ein Reise-Bus mit einem LKW-Anhänger hintendran - ein Riesengefährt, das relativ wenige Menschen, dafür aber Unmengen von Waren nach Sambia bringen sollte. Niemand reiste -wie ich- "einfach so" nach Sambia. Alle Passagiere trieben Handel mit Waren, die sie in Johannesburg einkauften und in Sambia, enorm unterentwickelt, weiterverkauften: Kleidung, Bettdecken, Schuhe, Elektroartikel, Nahrungsmittel. Alles einzuladen kostete viel Zeit. Während wir warteten, waren wir dann -zack- auf einmal im wirklichen Afrika. Händler bestiegen den Bus. Erst verkaufte jemand Gürtel und Sonnenbrillen. Ein Bettler von der Taubstummenvereinigung bat um Geldspenden. Ein Dritter bot Handtücher und Waschlappen an: "Anyone who forgot his towel for the long journey?" Ich dachte: "Nee, einen Waschlappen brauch ich nicht." Wir verließen Joburg mit einer Stunde Verspätung. Kaum losgefahren, legte ein Preacherman los. Vorne im Bus sang man auf seine Initiative hin schon lauthals "Halleluja Hosanna!«
"Do you all have your Bibles with you?" Der Preacherman kontrollierte die Passagiere und befahl Johannes, Kapitel 15 aufzuschlagen. Man folgte artig und bekräftigte die inbrünstige Rede des Pastors mit "Amen!«
An der nächsten Raststätte stieg der Preacherman aus - nicht ohne vorher seine eigenen Bibeln feilzubieten. Ein Caterer stieg ein und verteilte Hühnchen und Brötchen. Innerhalb einer Stunde hatten wir schon alles durch, was Afrika ausmachte:
1. Wildes Handeln mit allen möglichen Waren
2. Singen
3. Beten
4. Essen

An der Grenze von Simbabwe zu Sambia verbrachten wir nahezu 6 Stunden, aus Zollabfertigungsgründen. Die Ankunft in Sambia sorgte dafür, das in dem unterentwickelten Grenzdorf alles auf den Beinen war, um irgendetwas an die Busreisenden zu verkaufen: Gekochte Eier, getrockneten Fisch, kalte Getränke. Kleine Jungs, barfuß in Lumpen, fungierten als Dienstboten. Man gab ihnen Geld, damit sie durch die Hitze liefen, um einem Zigaretten zu besorgen, während man selber den raren Schattenplatz hütete. Obwohl ich mir dieses Mal vorher noch geschworen hatte, das soziale Gewissen beiseite zu schieben und Fotos zu machen, brachte ich es wieder nicht fertig, die Kinder zu fotografieren. Die Toiletten kosteten 1 Dollar und waren entweder verstopft oder leckten. Es gab natürlich kein Klopapier, aber dafür milchige, rissige Spiegel. Ich konnte meine Tasche an keinem sauberen Platz abstellen. Draußen der Staub, drinnen der Dreck. Die Leute wuschen sich und machten sich frisch. Ich hatte als Einzige keinen Waschlappen dabei (!) und verpasste damit die Gelegenheit, mir mit irgendetwas den Hintern oder das Gesicht abzutrocknen. Während ich immernoch dreckig war, hatten die meisten Frauen sich in der Drecktoilette erfrischt und geschminkt, damit sie gut aussahen, wenn sie in Lusaka ankamen.

Wir passierten die Grenze, weiter ging es auf einer Schotterpiste, durch Lehmhüttendörfer und Busch. Hier und da liefen ein paar Kinder in Lumpen auf der Straße. Irgendwo machte jemand Feuer zum Kochen. Mittlerweile hatte ich jede Sitzposition ausprobierte und jede verursachte nun Schmerzen. Ich stank. Ich trug seit 3 Tagen dieselben Klamotten. Ich hatte mir seit 3 Tage nicht die Zähne geputzt. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wann der Zeitpunkt da war, an dem ich nichts weiter wollte als "raus", aber er war schon lange da.

Nolundi, die Zweite


"Ich fahre gleich in mein Büro in der Stadt, dann kann ich Dich mitnehmen," sagte Nolundi vor ein paar Wochen zu mir nach der Kirche.

Erst wollte sie jedoch noch kurz am "Couples-Meeting" teilnehmen, das im Anschluss an den Gottesdienst stattfand. Ich wusste bis dahin gar nicht, dass Nolundi verheiratet war.

"Ich seh Dich immer alleine, wo ist denn Dein Mann?" fragte ich sie.
Sie: "Mein Mann hat es nicht so mit Kirche. Er ist Anwalt."
Ich: »Aha?" (Ich hatte schon wieder vergessen, dass ich in Afrika war…)
Sie: "Na ja, er vertritt Kriminelle, muss hier und da wen bestechen, Du weißt schon. Mein Mann sagt, er kann dann nicht sonntags in die Kirche gehen mit gutem Gewissen…"

Ich wusste doch, dass der Reichtum der Nolundi-Familie nicht allein von Ihrem Immigrationsbüro und Ihrem Hongkong-Job herrührte. Niemand (Schwarze schon mal gar nicht) erlangte hier auf legale Weise Reichtum.

Kinder hatte Nolundi auch, drei Mädchen, die sie nun herbeipfiff, damit sie schon mal den Wagen aufschlossen. Eines der Mädchen hieß "Abuja".
"Ihr Vater ist Nigerianer, " meinte Nolundi.
Das hatte ich mir schon fast gedacht, da die Hauptstadt von Nigeria denselben Namen trug.
Die Mädchen hatten alle verschiedene Väter.

Der Wagen, in den wir dann allesamt einstiegen, war nicht Ihr Jaguar. Es war ein schwarzer Hummer H3.

Wir hielten vor einer Wellblechhütte. Nolundi ließ das Fenster runter und schrie: "Girl! Girl!"
Eine junge Frau kaum heraus und winkte.
"Hab ich mir aus Simbabwe besorgt, die arbeiten gut, sie ist ab nächste Woche meine neu Haushälterin," erklärte mir Nolundi die Herkunft des Mädchens, das anscheinend keinen Namen hatte, sondern einfach "Girl" genannt wurde.

Sie müsse noch beim Busbahnhof vorbei, Koffer abholen, die bei Ihrem vorigen Hongkong-Trip nicht mehr in den Flieger passten und die sie daher beim Gepäckkurier aufgegeben hatte. Ok.

Beim Busbahnhof hielt Nolundi direkt vor dem Schalter, da wo niemand sonst parkte, da, wo man ganz offensichtlich nicht parken durfte. Das kümmerte sie überhaupt nicht.

Als sie jemand höflich darauf hinwies, dass sie dort nicht stehen bleiben könne, nahm sie mit einem normalen Parkplatz vorlieb.
Der Parkwächter sagte: "Das macht 7 Rand."
Nolundi sagte: »Jaha, 7 Rand DIE STUNDE steht auf dem Schild! Ich bleibe ja nur eine halbe. Hier hast Du 3.50 Rand."
Damit ließ sie den eingeschüchterten Parkwächter stehen, pfiff ihre Mädchen aus dem Wagen und stapfte zum Schalter. Mir war das alles furchtbar unangenehm.
Während wir zum Schalter liefen, sagte Nolundi, das wär ja was ganz Neues, dass die Parkwächter sonntags arbeiteten. Ob das denn erlaubt sei per Gesetz. Das müsse sie gleich Montag in Erfahrung bringen. Sie hätte gute Beziehungen zur Politik.
(…)

Die älteste Tochter (vielleicht 11 Jahre alt) nahm ganz selbstverständlich den schweren Koffer und zog ihn hinter sich her. Als Ihre Tochter fragte, ob sie eine Cola haben könne, sagte sie vor den Töchtern zu mir: »Ts, die sollen mal erst arbeiten gehen, dann können sie sich das alles kaufen!"

Ich wäre mit dem Bus viel schneller zu Hause gewesen. Zu Hause fragte ich mich, ob man Nolundi mochte, weil sie ein charismatischer Typ war, oder weil man hinter Ihrer respekteinflößenden, dreisten Art auch Herz sehen konnte. Eines war klar, anlegen wollte man sich in keinem Fall mit ihr.

Als am nächsten Sonntag der Pastor in die Gemeinde fragte: »Gibt es jemanden unter Euch, der rundherum zufrieden mit seinem Leben ist?", hob Nolundi als Einzige unverzüglich den Arm, stand auf und strahlte.

03 März, 2012

These streets

Wenn ich sonntags in der Kirche sitze und der Pastor eine Reggae-Tanzeinlage einlegt,
wenn er über seine eigenen Witze am lautesten lacht,
wenn wir Xhosa-Kollegin Siphokazi beibringen, wie man auf Deutsch flucht und ich letztens hörte, wie sie zu ihrer anderen Kollegin sagt  »That´s really Scheiße. A big Scheiße.«,
wenn mein kongolesischer Kollege P. Diddy B. (ein Kreuz breit wie ein Türrahmen) mal wieder beim Pool Billard alle abzieht,
wenn im vollgequetschten Minibus die an die Decke montierten Riesen-Lautsprecher bis zum Anschlag vibrieren,
wenn ich aus dem Fenster sehe und dort ein Mann lässig auf einem Strohalm kaut,
dann denke ich: Danke.

Ihr müsst das Musikvideo von »Mi Casa« links ansehen. Es ist grad sehr populär. Das ist das Lebensgefühl des »neuen« Südafrikas. Des Südafrikas, in dem weiße Jungs auch durch Township-Straßen flanieren. Des Südafrikas, in dem neuerdings schwarze Hipster beim Italiener um die Ecke sitzen. Des Südafrikas, in dem Schwarze und Weiße erst (neugierig und oft auch bewundernd) beginnen, die Welt des jeweiligen anderen zu entdecken. Vergesst dieses mitleidige Armutsding, geht mit "Mi Casa" auf Entdeckungstour!

Good morning to the world out there
Sanbonani, Ninjani? out there
I need a minute of your time
To reflect -not neglect- all the things that we have in this life

These streets (there we walk upon)
These streets (there we live upon)
They give us LIFE
They give us LIFE

Black an white
oh so bright
all I see is BEAUTY.

Nolundi

Nolundi, die Zulu-Dame mit dem Jaguar aus meiner Kirche, ist laut und energisch. Sie hat eine respekteinflößende Statur und am Kinn einen Ansatz von Damenbart, den sie -warum auch immer- nicht rasiert oder epiliert. Man muss zwangsläufig immer auf diese Haare gucken, wenn man mit ihr spricht.

Haare hat sie nicht nur am Kinn, sondern auch auf den Zähnen. Vor kurzem habe ich gehört, wie sie am Telefon mit einem Home Affairs-Beamten gestritten hat: Puh, ich bin mir sehr sicher, dass der Beamte am Ende klein beigeben musste.

Da Ihr Immigrationsbüro in meinem Apartment-Komplex liegt, laufen wir uns alle paar Tage über den Weg.

Vergangene Woche winkte sie mir von ihrem Plastikstuhl in der Kirche zu und gab mir zu verstehen, ich soll im Anschluss an den Gottesdienst zu ihr rüberkommen. Da es jedoch an dem Sonntag so unglaublich heiß war, bin ich gegangen, so lange ich das Lenkrad meines Autos noch anfassen konnte.

Ich traf Nolundi tags darauf. Warum ich denn weggelaufen sei. Sie hätte mich am Sonntag nach der Kirche einladen wollen, in ein Lokal in Langa.
Am Freitag würde sie für 10 Tage nach Hongkong fliegen, aber anschließend müssten wir das nachholen.

Hongkong? Nolundi? Hatte ich richtig gehört? Wie kam das?

Ich fragte sie verwundert: »Hongkong, tatsächlich! Was machst Du in Hongkong?«
Sie: »Stoffe einkaufen, sie dort billig schneidern lassen und dann hier verkaufen! Guck, ich zeig Dir die Modelle, die ich anfertigen lasse.«
Sie zeigte mir ein Bilderalbum mit Fotos von verschiedenen Kostümen und Kleidern.
Sie hätte grad noch bei einer Arbeitskollegin von Home Affairs Maß genommen, die wäre auch Kundin.

Alles klar, Nolundi besserte also ihr Gehalt noch durch anderes »business« auf. Ich bin mir sicher, das Hongkong-Business ist nicht ihr einziger Nebenjob. Ok, Ihr energisches Temperament kombiniert mit Tüchtigkeit und Bauernschläue: So allmählich schwante mir, wie sie den Jaguar finanzierte.

Ich sagte: »Ich freu mich, wenn wir dann demnächst in Langa ausgehen.«
Flüstert sie mir zu: »Aber wir trinken dann, ne?«
Ich: »Klar, an mir soll es nicht liegen!«
Sie: »Die Kirchengemeinde muss uns ja nicht sehen….«
Ich: »Nö, muss sie nicht. Abgesehen davon glaube ich sowieso, dass manche von denen sich auch ab und zu gern mal einen einschenken.«

Nolundi lacht laut und geht in ihr Büro.

Der Schein trügt?

Weiße wohnen in großen Häusern, haben schwarze Hausangestellte und benehmen sich bossy.

Township-Bewohner sind arm und verdienen jedes Mitgefühl.

Oder?

1. Ich habe noch nie so viele große, abgedunkelte Mercedes-Limousinen pro Quadratkilometer gesehen wie in bestimmten Bezirken in Soweto (South Western Township in Johannesburg).

2. Keiner meiner europäischen Arbeitskollegen hat schwarze Hausangestellte. Wer aber schwarze Putzfrauen hat, sind zum Beispiel meiner Brothers und Sisters aus der Township-Kirche, obwohl sie selber zum Teil nur in einem kleinen Haus wohnen.

3. Wenn ich sonntags zur Kirche gehe, kombiniere ich die Klamotten, die ich habe, immer wieder neu. Sehr viele meiner Kirchen-Genossinnen hingegen tragen JEDEN Sonntag ein neues Kleid - samt passenden Accessoires wie Hüten, Schmuck, Schuhe, Taschen.

4. Nolundi, eine voluminöse Zulu-Königin aus meiner Kirche fährt Jaguar, unterhält ein Immigrations-Büro in meinem Apartment-Komplex in der Stadt und zahlt jeden Monat für einen Parkplatz in der Tiefgarage, wohnt aber in Khayelitsha.

Die Prioritäten liegen ganz klar anders.

Alle meine weißen Kollegen wohnen in der Stadt und geben den Großteil Ihres Gehalts für ein kleines Apartment nahe der Arbeit und allen Läden, Bars und Restaurants aus.

Schwarzafrikaner wohnen selten in der Stadt, sondern meist in den zum Teil sehr weit entfernten Outbezirken oder den Townships und geben einen nicht ungehörigen Anteil für Minibus-Kosten aus. Ich verstehe nicht, warum das (immer noch, Jahre nach Apartheidsende) so ist. Selbst meine schwarzen Arbeitskollegen bei Amazon wohnen in Khayelitsha oder Mitchell´s Plain, obwohl sie nicht schlecht verdienen und sich ein Apartment oder zumindest ein Zimmer in der Stadt leisten könnten. Nach Khayelitsha fährt man ungefähr 1 Stunde! Aussehen tun -gerade die Mädels-  aber immer tadellos.

Schein ist wichtig, sehr wichtig unter Schwarzafrikanern. Und was man hat, das muss man zeigen.
Bei uns hingegen zeugt es von gutem Benehmen, wenn man nicht mit dem angeben muss, was man hat.

Mir scheint es, als überspringen die Schwarzafrikaner einfach das, was wir als »normales Benehmen eines Mittelklässlers« bezeichnen würden. Wir sind es aus Deutschland gewohnt, dass man durchschnittlich verdient und sich ein Auto und eine Wohnung leisten kann, ohne reich zu sein oder das Geld zum Fenster hinaus werfen zu können.
Hier gab es ja lange Zeit nur sehr arm oder reich.

Wen wundert es da, dass es statt einem Polo gleich ein Mercedes sein muss.
Wen wundert es, wenn Leute sonntags in einer Wellblechhütte Gottesdienst feiern, aber zum Dinner in eines der besten Hotels der Stadt gehen?

Es ist alles möglich, in alle Richtungen. Das ist das Faszinierende.

Ich habe letztens mit irgendwem darüber diskutiert, warum viele schwarze Kollegen im Township wohnen anstatt in der Stadt und dafür jeden Tag wie aus dem Ei gepellt zur Arbeit anreisen. Es kam die These auf, dass sie in Langa, Khayelitsha oder wo auch immer wohnen bleiben, weil sie dort mit ihrem Einkommen und den schicken Klamotten wer sind. In der Stadt wären sie nur jemand unter vielen. Keine Ahnung, ob das ansatzweise zutreffend ist. Vielleicht mögen sie einfach das Township-Leben. Es hat auf jeden Fall einen Reiz, dem man sich nicht entziehen kann. Mit Traditionen hat das sicherlich auch zu tun. Meine Kollegen unterstützen mit ihrem Gehalt oft noch andere Familienmitglieder (Cousinen, Neffen, Brüder aus dem Western Cape, sprich aus der Pampa), die gegen Kost und Logis zu Hause einkaufen, kochen und die Wäsche waschen. Man hat also auch praktisch was davon, nicht alleine in der Stadt zu wohnen.

Und so war es im Cape Sun:

Anwesend: 30 sexy zurechtgemachte Damen und 4 Männer. Der Heiratsmarkt für die Damen war also sehr übersichtlich.

Dafür gab es ein Vorspeisen-Buffet vom Feinsten, mit Austern, Meeresfrüchten und Co.
Das Hauptspeisen-Angebot war auch nicht zu verachten, und die Nachspeisen erstrecht nicht.

Ich glaube, meine Kirchen-Genossinnen und -Genossen haben nicht verstanden, dass man sich an dem Käse-Buffet erst nach dem Essen bedient, sie haben schon vorher zugegriffen.
Und Ihr glaubt nicht, was Leute essen können! Als es Zeit für die Nachspeise war, hat sich einer der Männer tatsächlich 1 Stück Torte, einen großen Muffin, ein Glas Triffle-Pudding, 1 Brownie und ein Stück Melktart auf den Teller geladen und: Alles aufgegessen! Ich habe ihn beobachtet. Zwischendurch hat er mal die »Gent´s Section« aufgesucht, anschließend war wieder Platz im Magen…
Die 200 Rand, die wir pro Person bezahlt haben, sollten sich schließlich gelohnt haben.

Niemand hat ein Glas Wein oder ein Bier zum Essen bestellt. Es ist hier so üblich, dass man als Mitglied einer Kirche weder trinkt noch raucht. Rauchen und trinken UND an Gott glauben, das schließt sich aus mir unbekannten Gründen völlig aus. Es geht entweder das Eine, oder das Andere. Da ist es wieder, dieses Schwarz-Weiß-Denken, das nicht nur Hautfarben, sondern alles Mögliche bestimmt.

Als nach dem formellen Kram (Programm der Young Adult-Gruppe für 2012 und Co) jemand lauthals ein Lied anstimmen wollte - schließlich sind wir eine Gruppe aus einer Gospelkirche - , kam blitzschnell eine aufgeregte, weiße Hotelmanagerin in den Raum und bat, das Singen und Tanzen doch bitte zu lassen - es seien andere Gäste zugegen, die sich gestört fühlen könnten.

Haha. Südafrika.

11 Februar, 2012

Pretty in pink

Im schicken Cape Sun Hotel treffen sich gleich alle Singles unserer Langa-Kirche zum Dinner.

Ich bin nicht sicher, ob ich in die Altersklasse der »Young Adult-Gruppe« passe. Auch bin ich mir nicht sicher, was mich erwartet.

Egal, aufgerüscht und los.

In Afrika darf es auch gern etwas mehr von allem sein. Sehr bunt: kein Problem. Hüte, Haarteile, Toupets, toupiert: kein Problem. Riesenblume im Haar: Wunderbar.

Sehen Sie hier Modell »Flamingo«!